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Zum Kriterium der Nachteiligkeit des für den Vertretenen abgeschlossenen Rechtsgeschäfts als Voraussetzung für die Unwirksamkeit eines Insichgeschäfts gemäß § 181 BGB unter dem Gesichtspunkt des Missbrauchs der Vertretungsmacht

Aktenzeichen
1 U 26/21
Normen
BGB § 107, § 181, § 204 Abs. 1 Nr. 1, § 398; ZPO § 263; InsO § 39 Abs. 1 Nr. 5, § 39 Abs. 5; HGB § 15 Abs. 2, § 126 Abs. 2; Rom-I-VO Art. 14 Abs. 1
Rechtsgebiet
Sonstiges Zivilrecht
Schlagworte
Sonstiges Zivilrecht; Insichgeschäft, Missbrauch der Vertretungsmacht, Vertragsstatut einer Aufhebungsvereinbarung, Vollzug der Abtretung, Nachrangigkeit von Gesellschafterdarlehen, Kleinbeteiligungsprivileg
Titel der Entscheidung
Leitsatz

1. Die Unwirksamkeit eines Insichgeschäfts gemäß § 181 BGB unter dem Gesichtspunkt des Missbrauchs der Vertretungsmacht setzt voraus, dass es für den Vertretenen nachteilig ist. (Anschluss an BGH, Urteil vom 29.10.2020 – IX ZR 212/19, juris Rn. 9 und 10, WM 2020, 2287)

2. Maßstab für das Kriterium der Nachteiligkeit des für den Vertretenen abgeschlossenen Rechtsgeschäfts als Voraussetzung für die Unwirksamkeit eines Insichgeschäfts unter dem Gesichtspunkt des Missbrauchs der Vertretungsmacht ist eine Nachteiligkeit im materiellen Sinne. Es wird damit ein Verstoß gegen die Interessen des Vertretenen vorausgesetzt und es sind nicht in Anlehnung an die Regelungen der §§ 181 und 107 BGB nur Rechtsgeschäfte, die lediglich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit bestehen, sowie nicht nachteilige Geschäfte im Sinne von neutralen oder lediglich rechtlich vorteilhaften Geschäften von der Unwirksamkeitsfolge ausgenommen (Fortführung von BGH, Urteil vom 29.10.2020 – IX ZR 212/19, juris Rn. 10).

3. Das Vorliegen eines solchen (materiellen) Interessenverstoßes als Voraussetzung für die Unwirksamkeit eines Insichgeschäfts unter dem Gesichtspunkt des Missbrauchs der Vertretungsmacht ist zu beurteilen anhand der Interessenlage des Vertretenen im Moment der Vornahme des Rechtsgeschäfts. Darlegungs- und beweisbelastet ist hierfür die Partei, die sich auf die Unwirksamkeit des Vertetergeschäfts beruft. (Anschluss an BGH, Urteil vom 29.10.2020 – IX ZR 212/19, juris Rn. 11)

4. Anders als bei einem Übergang von einem Anspruch aus eigenem Recht zu einem solchen aus abgetretenem Recht liegt bei einer Abtretung mit anschließender Rückabtretung kein Wechsel des Streitgegenstandes im Sinne einer Klageänderung nach § 263 ZPO vor. (Abgrenzung zu BGH, Urteil vom 04.05.2005 – VIII ZR 93/04, juris Rn. 15, NJW 2005, 2004 und Anschluss an BGH, Urteil vom 08.05.2007 – XI ZR 278/06, juris Rn. 17, WM 2007, 1241)
5. Bei einer Abtretung mit nachfolgender Rückabtretung erstreckt sich das Vertragsstatut für den ersten Abtretungsvertrag grundsätzlich auch auf einen hierauf bezogenen Aufhebungsvertrag.

6. Ein Erfordernis, dass die Vereinbarung einer Abtretung und deren Vollzug in zwei getrennten Akten erfolgen müssen, sieht das Gesetz in § 398 BGB nicht vor

Anmerkung:
Die Nichtzulassungsbeschwerde gegen dieses Urteil wurde mit Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 22.06.2023 (Az. IX ZR 18/22) zurückgewiesen.