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08.03.2021 - Grundsätze des Indizienbeweises zum Nachweis eines gestellten bzw. manipulierten Unfalls

Datum der Entscheidung
08.03.2021
Aktenzeichen
1 U 48/20
Normen
ZPO § 286
Rechtsgebiet
Sonstiges Zivilrecht
Schlagworte
Sonstiges Zivilrecht; Unfallmanipulation, Indizienbeweis
Titel der Entscheidung

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Grundsätze des Indizienbeweises zum Nachweis eines gestellten bzw. manipulierten Unfalls (361.1 KB)
Leitsatz
1. Der Nachweis eines gestellten bzw. manipulierten Unfalls kann im Wege eines Indizienbeweises geführt werden. Die Führung des Indizienbeweises setzt die Überzeugung des Tatrichters von der Wahrheit dieser Behauptung voraus, wofür aber keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit erforderlich ist, sondern ein für das praktische Leben brauchbarer Grad an Gewissheit genügt, der verbleibenden Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen.

2. Der Indizienbeweis erfordert eine Berücksichtigung sämtlicher sich aus dem gesamten Streitstoff ergebenden Umstände, deren indizieller Wert für oder gegen die Stützung der Behauptungen der Parteien erkennbar ist. Dass einzelne Indizien auch eine andere plausible Erklärung finden mögen, steht im Rahmen dieser Gesamtwürdigung der Beweisführung im Wege eines Indizienbeweises nicht entgegen.

3. Zur Führung eines Indizienbeweises können Indiztatsachen nur dann herangezogen werden, wenn sie unstreitig oder bewiesen sind. Bei Anträgen zum Beweis von Indizien darf und muss das Gericht vor der Beweiserhebung prüfen, ob es durch die vorgetragenen Indizien – ihre Richtigkeit unterstellt – von der Wahrheit der Haupttatsache überzeugt wird. Unmittelbar zum Hauptbeweis des Gegenteils angebotene Beweismittel sind generell zu berücksichtigen und ein entsprechender Beweisantritt darf nicht aufgrund der Würdigung von Indiztatsachen übergangen werden.

4. Typische für die Annahme eines gestellten Unfalls sprechende Indizien sind:
a. Nicht nachvollziehbares Fahrverhalten beim Unfall.
b. Keine plausible Erklärung der Anwesenheit am Unfallort.
c. Abrechnung auf Gutachten- oder Totalschadenbasis.
d. Leichte Wiederherstellbarkeit der Fahrtüchtigkeit, insbesondere Streifschaden.
e. Geschädigtenfahrzeug als hochpreisiger Fahrzeugtyp.
f. Wertminderung durch hohe Laufleistung oder Vorschäden am Geschädigtenfahrzeug bzw. Fahrzeug aus sonstigen Gründen schwer verkäuflich.
g. Geringes finanzielles Interesse am Schädigerfahrzeug.
h. Kurze Zulassungszeit der beteiligten Fahrzeuge.
i. Unmittelbar nach dem Unfall erfolgender Weiterverkauf bzw. Stilllegung.
j. Beschädigung eines stehenden Fahrzeugs.
k. Geringes Verletzungsrisiko, insbesondere bei geringer Kollisionsgeschwindigkeit.
l. Keine Benennung neutraler Zeugen.
m. Polizei wird nicht hinzugezogen oder ihr wird vermeintlich klare Haftungslage präsentiert.
n. Vorherige Bekanntschaft der unfallbeteiligten Parteien.
o. Bezug der Beteiligten zur Kfz-Branche.
p. Wiederholte Unfallbeteiligung der Parteien.
q. Keine Rechtsverteidigung bzw. unbeteiligtes Verhalten des Schädigers.
r. Vage und detailarme Angaben der Unfallbeteiligten.
s. Kläger bei Unfallgeschehen nicht anwesend.
t. Diskrepanz zwischen Einkommensverhältnissen des Geschädigten und der Fahrzeugklasse des beschädigten Fahrzeugs.
u. Vermögenslosigkeit des Schädigers.
v. Widersprüchlicher oder widerlegter Sachvortrag des Geschädigten, insbesondere Verschweigen von Vorschäden oder widerlegte oder nach Gutachteneinholung angepasste Angaben zum Unfallgeschehen.
w. Früheres betrügerisches Verhalten der Beteiligten.

5. Typische gegen die Annahme eines gestellten Unfalls sprechende Indizien sind:
a. Schadensabrechnung auf der Grundlage tatsächlich entstandener Reparaturkosten bei fachgerechter Reparaturausführung.
b. Konsistente und glaubwürdige Angaben der Parteien und Zeugen.
c. Erhebung von Einwendungen des Schädigers gegen seine Haftung.
d. Entstehung eines erheblichen und auch im Fall eines nicht gestellten Unfalls nicht durch eine Vollkaskoversicherung gedeckten Sachschadens auf Schädigerseite.
e. Plausibilität und Nachvollziehbarkeit des Unfallgeschehens, insbesondere auf der Grundlage der Feststellungen eines eingeholten Unfallrekonstruktionsgutachtens.
f. Benennung neutraler Zeugen.
g. Vorliegen einer konkreten erheblichen Verletzungsgefahr beim Unfall.