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16.03.2020 - Zur Unzulässigkeit einer Auslieferung nach Ungarn bei Verletzung von Zusicherungen des um die Auslieferung ersuchenden Staates in früheren Auslieferungsverfahren und bei nicht gesicherter Möglichkeit eines Wiederaufnahmeverfahrens nach Abwesenheitsurteil

Datum der Entscheidung
16.03.2020
Aktenzeichen
1 AuslA 78/19
Normen
IRG §§ 29, 32, 73 S. 2, 83 Abs. 4
Rechtsgebiet
Internationale Rechtshilfe in Strafsachen
Schlagworte
Strafprozessrecht, Europäischer Haftbefehl, Auslieferung, Ungarn, Haftbedingungen
Leitsatz

1. Haben die Behörden des um eine Auslieferung ersuchenden Staates in vorangegangenen Auslieferungsverfahren erteilte Zusicherungen bzw. Erklärungen und mit der Auslieferungsentscheidung verbundene Bedingungen nicht eingehalten, so ist das Vertrauen in weitere Erklärungen und Auskünfte der Justizbehörden des ersuchenden Staates erschüttert, wenn keine Aufklärung dieser Vorgänge erfolgt.

2. Kann den Erklärungen und Auskünften der Behörden des ersuchenden Staates kein Vertrauen geschenkt werden, so können auch nicht auf der Grundlage dieser Erklärungen anderweitig bestehende Auslieferungshindernisse ausgeräumt werden.

3. Konkret: Da seitens der ungarischen Behörden die in einem früheren Auslieferungsverfahren bezüglich desselben Verfolgten erteilte Erklärung seiner Inhaftierung in einer bestimmten Justizvollzugsanstalt nicht eingehalten wurde, ohne dass dies seitens der ungarischen Behörden aufgeklärt worden wäre, kann erneuten Erklärungen und Auskünften bezüglich der Haftbedingungen des Verfolgten in einem weiteren Auslieferungsverfahren kein Vertrauen geschenkt werden. Eine Auslieferung ist daher aufgrund der bekannten allgemeinen und systemischen Mängel hinsichtlich der Haftbedingungen in der Republik Ungarn unzulässig nach § 73 S. 2 IRG.

4. Die Möglichkeit eines Wiederaufnahmeverfahrens führt nicht zur ausnahmsweisen Zulässigkeit einer Auslieferung zur Strafvollstreckung aufgrund eines Abwesenheitsurteils nach § 83 Abs. 4 IRG, wenn die Frist zur Einlegung dieses Rechtsbehelfs auch ohne erneute Zustellung bereits aufgrund des Verstreichens von 30 Tagen seit Kenntniserlangung von dem Urteil abgelaufen ist..