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03.01.2018 - Zu den erhöhten Anforderungen an die Begründungstiefe von Haftfortdauerentscheidungen und zur Anwendung des Beschleunigungsgrundsatzes in Haftsachen

Datum der Entscheidung
03.01.2018
Aktenzeichen
1 Ws 143-145/17
Normen
EMRK Art. 6 Abs. 2; GG Art. 20 Abs. 3; StPO §§ 112 Abs. 1 S. 1; 120 Abs. 1 S. 1
Rechtsgebiet
Strafprozessrecht
Schlagworte
Strafprozessrecht, Untersuchungshaft, Haftfortdauer, Beschleunigungsgrundsatz, Terminsdichte
Titel der Entscheidung

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Zu den erhöhten Anforderungen an die Begründungstiefe von Haftfortdauerentscheidungen und zur Anwendung des Beschleunigungsgrundsatzes in Haftsachen (139.8 KB)
Leitsatz
1. Der verfassungsgerichtliche gebotene Grundrechtsschutz stellt erhöhte Anforderungen an die Begründungstiefe von Haftfortdauerentscheidungen. Diese müssen in der Regel aktuelle Ausführungen zu dem weiteren Vorliegen der Voraussetzungen der Untersuchungshaft, zur Abwägung zwischen dem Freiheitsgrundrecht des Betroffenen und dem Strafverfolgungsinteresse der Allgemeinheit sowie zur Frage der Verhältnismäßigkeit enthalten.

2. Diese Ausführungen müssen in Inhalt und Umfang eine Überprüfung des Abwägungsergebnisses nicht nur für den Betroffenen selbst, sondern auch für das die Anordnung treffende Gericht im Rahmen einer Eigenkontrolle gewährleisten und in sich schlüssig und nachvollziehbar sein.

3. Grundsätzlich muss daher jede Haftentscheidung für sich sämtliche Voraussetzungen für die Anordnung der Haft oder deren Fortdauer vollständig, in sich schlüssig und nachvollziehbar darlegen.

4. Eine Verweisung auf vorangegangene Entscheidungen oder Anklageschriften anstelle der eigenständigen Begründung in der Haftentscheidung selbst ist nur ausnahmsweise zulässig, wenn es sich um geeignete Fälle handelt, bei denen die Verweisung das übergeordnete Ziel der Verständlichkeit und der Eigenkontrolle nicht gefährdet.
5. Die bloße Wiedergabe des Gesetzeswortlauts genügt zur Begründung einer Haftfortdauerentscheidung nicht.

6. Der Beschleunigungsgrundsatz in Haftsachen verlangt als besondere Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in absehbar umfangreichen Verfahren eine vorausschauende, auch größere Zeiträume umgreifende Hauptverhandlung mit mehr als einem durchschnittlichen Hauptverhandlungstag pro Woche.

7. Bei der Berechnung der durchschnittlichen Terminsdichte sind sich in einem angemessenen Rahmen haltende Unterbrechungszeiten etwa zum Zweck des Erholungsurlaubs der Verfahrensbeteiligten oder auch zum Zweck des Antritts einer Kur herauszurechnen.

8. Insgesamt ist unter dem Aspekt des Beschleunigungsgrundsatzes eine auf den Einzelfall bezogene Prüfung des Verfahrensablaufs erforderlich, bei der auch die voraussichtliche Gesamtdauer des Verfahrens und die für den Fall einer Verurteilung konkret im Raum stehende Straferwartung zu würdigen sind.